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AutorenbildRotpunktverlag

VierzigTageBuch – der Quarantäne-Rückblick mit Patti Basler

25.April 2020

Prolog

Freitag, der 13.3

Alain Berset überlegt sich, als welcher Gesundheitsminister er in die Geschichte eingehen will:

– Derjenige, welcher eine Epidemie in den Griff kriegte.

– Derjenige, welcher das AHV-Problem auf einen Schlag löste.

Tag 1

HÄNDESCHÜTTELN ist zu unterlassen. Andere übliche Begrüßungsformen in der Schweiz sind weiterhin erlaubt und unbedenklich.

– Schuhabklatscher

– Bekreuzigung

– Hitlergruß

Tag 2

Ökonom Reiner Eichenberger will die Schweiz »kontrollliert durchseuchen«

Reiner Frühling im Eichenhain

Die Luft durch Eichen-Kronen haucht,

An Eicheln nagt, was kreucht und fleucht,

Der Eichen Grund vom Bär durchlaucht,

Des Eichen-Bergers Haupt durchseucht

Tag 3

Zu Viren in Quarantäne-Räumen:

»Ihr dürft nicht rein. Wir waschen unsere Hände,

wie's der Bundesrat erzählt.«

Zu Menschen an Europa-Grenz-Zäunen:

»Ihr dürft nicht rein. Wir waschen unsere Hände

in Unschuld. Und in Neutralität.«

Tag 4

Krisen können das Schlechteste in den Menschen hervorrufen. Oder das Beste. Nora Zukker hilft Zürcher Senioren beim Einkaufen. Hazel Brugger bietet an, Kinder zu hüten. Ich versuche, nicht zu weinen vor Rührung. Jede, was sie kann.


Tag 5

Boris Johnson: »Wir schließen die Schulen nicht. Die Wissenschaft sagt, Schulen schließen könnte dem Land im Moment mehr schaden als nützen.«

Wo die Wissenschaft recht hat, hat sie recht.

Tag 6

The Coroner

by

Tent in Quarantino

Tag 7

Schweiz:

Wurst-Käs-Pundemie

Tag 8

Mer chönd ned all in Spital goh, Machs dehei

Drum löhnd de Shit do viral goh, Machs dehei

drum söttsch din Schnidel im Stall loh, Machs dehei

Mach’s eifach dehei

Chasch di mit Fröid go besaufe, Machs dehei

Statt de RollsRoys loh laufe, Machs dehei

Statt en Toyboy go chaufe, Machs elei

Machs eifach elei

Chasch telefonisch go quatsche,

Machs dehei

Chasch ihn platonisch betatsche,

Machs dehei

Und hesch es chronisches Hatschi, Machs dehei

Machs eifach dehei

Tag 9

Es geht drum, gesamtschweizerisch das zu machen,

was bei mir nie gelingt: Die Kurve verflachen.

Tag 10

Die Corona-Krise ist eine riesige Chance für Väter, auch mal zu lernen,

Homeoffice und Kinderbetreuung unter einen Hut zu kriegen

Tag 11

Die Auswahl für suizidale Senioren wird größer:

Exit

Dignitas

Wandergruppe

Tag 12

Wenn du Film guckst und Szene in einer Bar und ganze Gruppen stehen eng beieinander und du denkst: OMG, wie obszön!

Tag 13

Gelesen:

»Wisst ihr noch, als wir darüber diskutierten,

ob 4 Wochen Vaterschaftsurlaub

möglich seien?«

Tag 14

Home-Schooling:

Der Moment, in dem vielen Eltern klar wird,

weshalb Lehrkräfte 12 Wochen Ferien brauchen.

Tag 15

Viele Kulturschaffende

Lebten schon vor der Krise

Von der Hand in den Mund

Jetzt ist selbst das verboten


Tag 16

Betreuerin. Spitaldienst: Systemrelevant

Verkäuferin im Aldi: Systemrelevant

Bäuerin im Stall drin: Systemrelevant

Polizei: Systemrelevant!

Die Pflegerin im Hospiz: Systemrelevant

Brief-Trägerin im Post-Dienst: Systemrelevant

Netzwerk-IT-Hosting: Systemrelevant

Und der Chauffeur: Systemrelevant!

Putz-Fachmann mit Staubschicht: Systemrelevant

Und Ambulanz mit Blaulicht: Systemrelevant

Schutzmann macht den Raum dicht: Systemrelevant

Bundesrat: Systemrelevant!

Lebensmittel-Großmarkt: Systemrelevant

Elternliebe, so stark: Systemrelevant

Rüssel, dick und Stoßzahn: System »Elephant«

Kabarett: Systemrelevant!

Tag 17

Toilettenpapier –

Der große Rollenkonflikt der Quarantäne

Tag 18

Jassgruppe geht auch nicht mehr.

Heute bist du schon froh,

wenn du auf dem WC ein Dreiblatt weisen kannst.

Tag 19

Wahrscheinlich die einzige Corona,

die Prince Charles

jemals kriegen wird.

Tag 20

Sofa-Lesungen:

Das Dschungelcamp für Kulturschaffende.

Tag 21

Ich hätte bis heute nicht geglaubt, wie sehr ich mich auf den Moment freue, wenn die Fußballer endlich wieder tschutten dürfen. Imagine there’s no singing!

Tag 22

Ein kleines Mädchen brachte uns dazu, auf die Wissenschaft zu hören.

Ein noch kleineres Virus bringt uns dazu, ihr zu folgen.

Tag 23

Merkst du, das zwischen uns wächst einfach viel zu schnell

Merkst du, das zwischen uns wächst exponentiell

Wenn unsere Finger sich ergreifen

Sich unsere Lippen flüchtig streifen

Dann springt ein Funke, der das Dunkel nicht erhellt

Lass es uns biegen, und vielleicht als einen Keil sehen

Die Kurve kriegen wir nur, wenn wir jetzt nicht steil gehen

Das Tunnelende naht noch nicht,

Da vorne sehen wir noch kein Licht

Und auch der Tunnel bleibt in Zukunft nur zum Teil stehen

Komm, lass uns einander nicht berühren

Sonst könnte eins zum andern führen

Auf dass es ausgesessen wird

Allein im Zimmer

Bevor es besser wird, wird’s schlimmer

Komm, lass uns einander nicht berühren

Sonst könnte eins zum andern führen

Noch ist das Ende nicht in Sicht

Da ist kein Schimmer

Bevor es besser wird, wird’s schlimmer

Du darfst das nicht mehr nähren, erklärt mir der Verstand

Auch wenn es schwer fällt, ich nehm’ dich nicht bei der Hand

lass uns statt zum Tanz gehen

Ein bisschen auf Distanz gehen

Ich weiß, nur so stütz ich dein System relevant

Vielleicht geht’s irgendwann, doch geht’s nicht jetzt

Sonst wird um uns herum noch irgendwer verletzt

Sehen wir offen die Gefahren

Statt zu hoffen und zu harren

Sonst haben wir uns die Narren-Krone aufgesetzt

Komm, lass uns einander nicht berühren

Sonst könnte eins zum andern führen

Auf dass es ausgesessen wird

Allein im Zimmer

Bevor es besser wird, wird’s schlimmer

Komm, lass uns einander nicht berühren

Sonst könnte eins zum andern führen

Der Schmerz bleibt nicht für immer da

Irgendwann ist er vergessen

Nachdem es schlimmer war, wird’s besser

Tag 24

Berset

Alain zu Haus

Tag 25

Und nein,

mit häuslicher Gewalt

meinen wir nicht die Tür,

die Daniel Koch eins verpasst hat.

Tag 26

Es hieß einmal, die unsichtbare Hand des Marktes würde alles regeln. Wenn es genügend Nachfrage gäbe, steige das Angebot von selbst! Und nun schafft sie nicht einmal das mit dem WC-Rollen! Sie kann uns getrost den Hintern wischen.

Tag 27

Übere Gotthard, übere Gotthard flüged Viire,

Ja flüged Viire, die cheibe Viire,

Drum söttsch über Oschtre halt deheime fiire,

E non uscire in Ticino.

Tag 28

Dein innerer Sauhund will ausbrechen und nicht mehr daheim bleiben?

Alain Berset hat die Lösung.

Er legt sich selbst an die Kette.

Alain ist cool.

Sei wie Alain.

Tag 29

Ja, es sind humanitäre Dramen an den Grenzzäunen, verzweifelte Gesichter am Gartenhag zwischen Dietikon und Spreitenbach. Denn die Zürcher*innen dürfen nicht nach draußen, nicht in den Aargau, ins Shoppi, in die Ikea, die Limmat runter, nicht mal ihre Eltern besuchen in Oberwil-Lieli. Sie sind in ihrem zwinglianischen Kanton zwangs-interniert.

In diesen harten Zeiten denken wir an alle. Auch an die Zürcher.

Und vergesst nicht:

Oder war’s umgekehrt?

Natürlich war’s umgekehrt!

Wie willst du zu Hause bleiben ohne Haus? 2 Meter Abstand wahren in einem 2-Meter-Zelt? Hände waschen, wenn du nicht mal Trinkwasser hast?

Drum: Hilf mit, eine Lösung zu suchen für diejenigen, die keine geheizte Wohnung haben. Mit Essen. Und WC-Rollen.

Denn alle Menschen haben dasselbe Recht, geschützt zu werden.

Sogar die Zürcher.

Tag 30

Falls Boris noch zu geschwächt ist, soll die May wieder übernehmen:

...

Where There is a Will

There is a Way

Where There is an April

Ther-es-a May

Tag 31

Jedes Jahr nach Ostern Mein Requiem für eine berühmte Legehenne: EINE

EIER LEGENDE

EIER – LEGENDE

KOMMT ZU IHREM

EIER-LEG-ENDE

ENDE:

Tag 32

Raiffeisen-Situation heißt auf chinesisch: Win-Win-Zenz Die Chinesen gaben uns das Corona wir geben ihnene GC

Tag 33

Kontrollierte Durchseuchung hinter schwedischen Altersheimgardinen.

Das neue

[Ctrl] [Alt] [Del]

Tag 34

Woran du merkst, dass du Schweizerin bist:

Dein innerer Sauhund ist ein Sparschwein.

Tag 35

Liebe Lockerungs-Turbos von rechts bis links

Es scheint schon schaurig schade, dass wir diese Kurve schneller flach brachten als ich irgendeine Kurve an meinem Körper.

Dieses Virus raffte ja gar nicht so viele Leute dahin. Es ist fast, als ob die Maßnahmen gegriffen hätten. Nix mit schneller AHV-Sanierung, da hätte der liebe Alain doch besser vorsorgen können. Kontrollierte Durchseuchung wie in Schweden, [Ctrl] [Alt] [Del], kontrolliert die Alten auslöschen, System neu aufsetzen, Hauptsache, Ems und NZZ können Gewinn ausschütten.

Lassen wir einige an Covid enden,

wir wollen unsere Dividenden.

Glaubt mir, auch ich würde fast alles drum geben, wieder auftreten zu können. Ich würde fast alles geben.

Außer Menschenleben.

Tag 36

Helden meines Lebens: Senderos, Sommaruga, Berset, Koch


Tag 37

Schweiz:

Das Land, in dem wir die Kurve schneller flachlegen

als die Bachelorette einen ihrer Toyboys.

...

Um danach genau so leichtfertig wieder steil zu gehen.

Tag 38

Was der Bundesrat nicht sagt:

»Liebe Bevölkerung, wir halten euch für zu dumm, mit einer generellen Öffnung umzugehen, Regeln einzuhalten.«

Was er nicht sagt:

»Wir haben zu wenig Masken, Material, Personal.«

Was der Bundesrat sagt: »Schtartöpps.«

Und ich fürchte, er hat recht.

Tag 39

Sozial distanziert

=

SVP nah

Sind das nun Synonyme oder Antonyme? Mein Kopf explodiert jetzt gleich.

Tag 40

Sommaruga: Pflegende sind systemrelevant. Applaus reicht nicht. Es braucht mehr Lohn. Ich hingegen, ich sehne mich nur nach dem Applaus.

Epi-(demio-)log, 26.4.

Der mächtigste Mann der Welt

empfiehlt Desinfektionsmittel

als Injektion gegen Viren.

Satire ist tot.

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